Entstehen Ideen nur im Team?
Die Arbeitswelt besteht zu großen Teilen aus Meetings, Präsentationen und Konferenzen jeder Art . Diese Tätigkeiten nehmen im Büroalltag einen immer breiteren Raum ein. Es entstand im Laufe der letzten Jahre eine Dauerschleife aus Dauerkommunikation, Zwangsvergemeinschaftung und permanentem Präsentationsdruck. In einigen Firmen sind acht von zehn Arbeitsstunden mit Telefonkonferenzen, Teampräsentationen und Abstimmungsrunden gefüllt. Teamfähigkeit steht über allem und ist zum Dogma für einen dealen Mitarbeiter geworden.
Natürlich ist es sinnvoll, wenn Mitarbeiter kommunizieren und sich gegenseitig auf den neuesten Stand bringen, die produktive und vor allem kreative Arbeit darf dabei aber nicht zum „Nebengeschäft“ verkommen. Stille Denker und Tüftler scheitern immer mehr am herrschenden Ideal der Extraversion und dem geltenden Glauben, Mitarbeiter sollten generell gesellig sein und sich gut „verkaufen“ können. Diese Vorstellung wird inzwischen auch bereits an den Schulen eingeübt und führt dazu, dass Persönlichkeiten ohne diese Fähigkeiten an den Rand gedrängt werden. In Gruppen bildet sich in der Regel eine Hackordung, wonach die Ranghöchsten (in der Regel die Lautesten) Diskussionen dominieren.
Grundsätzlich sind Teams überlegen bei teilautonomen Aufgaben in Routineprozessen. Diese Überlegenheit von Teams ist aber bspw. bei beliebten Kreativ-Brainstormings nicht nachweisbar, im Gegenteil gilt: je größer eine Gruppe ist, desto weniger brilliante Ideen generiert sie. Verantwortlich hierfür ist der gruppenimmanente Drang zur Mittelmäßigkeit oder auch Regression zur Mitte. Sehr gute Ideen werden sehr häufig von introvertierten Einzelpersonen erzeugt, die schlichtweg unterbrechungsfreie Zeit zum tiefen Nachdenken benötigen. Herausragende Ideen werden selten in einer plötzlichen Eingebung geboren, sondern sind das Ergebnis eines mühseligen, teilweise langwierigen Denkprozesses, der auch ein zwischenzeitliches Scheitern beinhalten kann.
Unternehmen sollten sich also vermehrt um die ruhigen introvertierten Mitarbeiter kümmern. Sie müssen nicht automatisch schüchtern oder durchsetzungsschwach sein. Der große Unterschied zu den lauten Extravertierten liegt vor allem in einem wesentlichen Punkt: sie stellen nicht ihre Person und ihre Ambitionen in den Vordergrund, sondern konzentrieren sich auf das gestellte Problem und bleiben bei der Sache. Dazu benötigen sie aber Ruhe und genügend Zeit zum konzentrierten Arbeiten. Selbstverständlich sind Teams in komplexen Systemen und in der Identifikation von Optimierungspotenzialen unerlässlich. Geht es aber um kreative Prozesse zur Erarbeitung echter Innovationen, bedarf es einer ausgewogenen Mischung aus Teamwork und Einzelleistungen. Voraussetzung dafür ist aber, dass Unternehmen den Wert individualistischer Andersdenker erkennen, ihre Eigenheiten zulassen und gegenüber den Teams positiv kommunizieren und sie vor allem auch schützen, damit sie die notwendige Zeit, Ruhe und Geduld erhalten.